Heidi & Ralf

Es war einer von den letzten warmen Tagen,
unterm Apfelbaum im Hergenröder-Garten
saß er und schmiß Steine in den Pool.
Heidi hatte Wein und einen Joint zuviel geraucht,
kam nach draußen und erbrach sich überm Rhododendronstrauch,
als sie zu ihm rüberblickte, dachte er: "Cool!"
Der Mond schwamm in dem Silberreif an ihrem Handgelenk
wie in einem Hermann-Hesse-Traum;
schwarze Locken, trockener Septemberwind,
und sie kam tatsächlich rüber zum Apfelbaum.
Die Orchideen in ihrem Haar, Purpur-Brokat um ihren Hals,
da nahm er allen Mut zusammen, sagte: "Hallo, ich heiße Ralf."

Sie gingen, blieben fuhr'n ja auch zusammen
noch im selben Herbst nach Amsterdam,
vierzehn Tage lang im Bett wie Yoko und John
Im Frühjahr tourten sie durch Süd- und Mittelschweden,
Heidi sprach da schon einmal vom Zusammen-Leben,
er zeigte ihr den kleinen Wagen, fragte sich nur, wovon.
Zu Hause dann die Antwort von der Uni:
BaföG-Höchstsatz und VWL,
Samstags legte Ralf im Downtown auf,
die Sachen liefen da noch rund und schnell.
Von ihrer Mutter kam die Bürgschaft und seine schenkte Brot und Salz
Für die gemeinsame Wohnung von Heidi & Ralf.

Heidi trug bald immer schrillere Klamotten
Und stand bei beinah jedem Casting auf der Matte
Ralf sammelte ungekürzte Index-Videos.
Nein, Kinder wollten sie und durfte man nicht planen
in diesen drastischen und durchgeknallten Tagen,
und schon gar nicht in den Nächten, die waren furios:
Heidi im schwarzen Lederdress
fischte auf jedem Dancefloor for compliments,
und unter seinen Kopfhöreren:
Ralfi in the sky with diamonds.
Ja, so konnt es wirklich weitergehen, jedenfalls
ging die Geschichte erstmal weiter mit Heidi & Ralf.

Eine Geschichte aber raffte Heidi wirklich nie:
Ralf erzählte ihr im Bett: „Du, ich glaube ich bin ei’ntlich bi.“
Anfangs fand sie das noch interessant.
Doch nach seinem blöden Spruch: „Glaub mir – ohne Kondom
mach ich‘s nichtmal mit‘m Bon-Jovi-John“,
bekam sie‘s ganz schön mit der Angst.
Im Fernseher nur Videos und Aktien
zu ‘ner Blauhelm-Invasion,
und nach der Fehlgeburt im Januar
fiel sie dann in die verdammt lange Depression.
Doch es ging ja trotzdem weiter, und weil Gejammer ja nix half
ging es auch noch weiter mit Heidi & Ralf.

Sie schaffte es mit Lithium und Aponal,
Ralfi hing zwischenzeitlich sogar an der Nadel,
wurde zweimal zurückgeholt mit Naloxon.
Doch erst nach seiner Eskapade mit dem schwulen Arzt
kam es mit Heidi dann endgültig zum Eklat.
Sie schmiß ihn raus im Juni, und das war’s auch schon.
Ein trockener Septemberwind blies ins Foyer
vom Downtown beim Poetry-Slam,
und irgendwer nahm seinen Mut zusammen, fragte:
„Kannst du mir mal Feuer geben?“
Und sie griff in ihre Tasche, sagte sich: „That is the way the river runs.“
Und von da an ging es weiter mit Heidi & Hans.